6. April 2014
Der Tod eines geliebten Menschen, eines Ehepartners, eines Kindes ist wohl eine der stärksten Belastungen, denen wir ausgesetzt sein können. Ein Witwe sagte, sie fühle sich wie amputiert, und ein 50-jähriger Mann, dem seine Frau nach langer Krankheit gestorben war, meinte: „Meine Frau hat so viel von mir mitgenommen ins Grab, dass ich mich manchmal frage, ob noch genug bleibt zum Leben.“
Ist mit dem Tod alles zu Ende, was wir in dieser Welt getan und geschaffen haben? Bedeutet der Tod die endgültige Vernichtung, nicht nur unseres Körpers, sondern all unserer Sehnsucht, Liebe, Hoffnung? Die Auflösung unseres Ichs im Nichts? Und wenn das so ist, was ist dann der Mensch? Ein Lebewesen, das sich einige Jahrzehnte wichtig macht, sich selbst wichtig vorkommt, aber dann endgültig verschwindet, ohne weitere Bedeutung – außer vielleicht in der immer blasser werdende Erinnerung einiger Weniger, die dann das gleiche Schicksal erleiden? Ist dann das menschliche Leben eine Illusion? Wozu leben wir? Das sind tief-menschliche Existenzfragen, die Menschen sich immer gestellt haben. Und in ihrer ganzen Geschichte hat die Menschheit sich nie damit abfinden können, dass mit dem Tod alles aus wäre. Immer haben Menschen geglaubt und gehofft, dass es – in irgend einer Form – weitergeht.
Das ist auch die frohe Botschaft, das Evangelium, des christlichen Glaubens: Es geht weiter, weil es einen Gott gibt, der möchte, dass es weitergeht. Die Erzählung von der Wiederbelebung des Lazarus möchte das anschaulich machen. Der Evangelist Johannes hat sie ausführlich und dramatisch aufgebaut.
Diese Wiederbelebung des Lazarus ist das letzte der sieben Wunder (Zeichen) im Johannesevangelium. Es ist sozusagen der Gipfel: Jesus kann sogar einen Menschen, der wirklich tot war („es ist bereits der vierte Tag – er riecht schon“) wieder zum Leben bringen. Und er kann das, weil er in einer unglaublich tiefen Beziehung zu Gott lebt. „Wer mich sieht, sieht den Vater“, hat er gesagt. In ihm wirkt Gott selbst. In ihm zeigt Gott seine Macht, sogar über den Tod. Gott kann die Grenze von Leben und Tod überschreiten und den Tod außer Kraft setzen. In Jesus wird diese „Herrlichkeit Gottes“ sichtbar. In Jesus wird bestätigt, was Gott zu Mose beim brennenden Dornbusch über sich gesagt hat: „Ich bin da für euch“! Diese Liebe Gottes reicht viel weiter, als wir uns das vorstellen können. Voll Vertrauen auf diese Treue Gottes zu uns Menschen, voll Vertrauen auf sein Ja zu uns, ruft Jesus den Toten aus dem Grab ins Leben zurück. Jesus ist – und das in ganz konkretem, unmittelbarem Sinn – das sichtbar gewordene „Ich-bin-da“ Gottes. Es ist ein sehr emotionaler Jesus, von dem wir hier hören! Seine Tränen sind Zeichen der freundschaftlichen Liebe und der Ergriffenheit angesichts des Todes.
Ein Mönch sagte einmal zu einer Frau, die mit ihrem Zweifel über ein Leben nach dem Tod zu ihm kam: „Es gibt keinen Beweis für ein Leben nach dem Tod, wohl aber kann man sich überzeugen, indem man sich auf das Wagnis einlässt, im eigenen Leben auf Gottes Liebe zu setzen und diese in den Alltag mutig hinein selbst praktiziert. Und wer in diesem Sinn also konkrete „Erfahrungen mit werktätiger Liebe“ macht, der wagt mit der Zeit zu vertrauen: sich selbst, den anderen – und Gott. Jesus hat einen Zuspruch, eine Bejahung, ein Wohlwollen erlebt, die so tief gegangen sind, dass es seinen Lebenszugang, seine Handlungen, seine Gefühle und selbst seine Einstellung zum Tod verändert hat.“ Unser Glaube an ein Weiterleben nach dem Tod gründet schließlich auf dem Vertrauen zu einem Gott, der für uns da ist.
Johann Gottlieb Fichte, ein deutscher Philosoph hat es so gesagt: „Für mich werde ich überhaupt nicht sterben, sondern nur für andere, für die Zurückbleibenden, aus deren Verbindung ich gerissen werde; für mich selber ist die Todesstunde Stunde der Geburt zu einem höheren, neuen, herrlichen Leben.“
Jesus stellt uns die Frage: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt wird leben, auch wenn er stirbt. Glaubst du das?“